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Risikomanagementmaßnahmen besonders wichtiger und wichtiger Einrichtungen und Dokumentationsnachweis nach dem neuen BSIG
Das neue BSIG befindet sich auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie. Im aktuellen Entwurf legt der dortige § 30 Abs. 1 Satz 1 BSIG fest, dass besonders wichtige und wichtige Einrichtungen verpflichtet sind, geeignete, verhältnismäßige und wirksame technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) zu ergreifen, um u.a. Störungen der Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit der IT-Systeme und Auswirkungen von Sicherheitsvorfällen möglichst gering zu halten. Betroffen von dieser Pflicht sind also etwa Unternehmen aus dem Bereich der digitalen Infrastruktur, wie z.B. Anbieter von Cloud-Computing-Diensten oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, wenn sie entgeltlich Waren oder Dienstleistungen anbieten, mindestens 250 Mitarbeiter beschäftigen oder einen Jahresumsatz von über 50 Mio. EUR und eine Jahresbilanzsummer von 43 Mio. EUR aufweisen und somit als besonders wichtige Einrichtungen gelten. Adressaten dieser Pflicht sind zudem wichtige Einrichtungen, zu denen u.a. Anbieter digitaler Dienste, wie beispielsweise Online-Marktplätze oder soziale Netzwerke gehören, wenn sie Waren oder Dienstleistungen entgeltlich anbieten und mindestens 50 Mitarbeiter oder einen Jahresumsatz und eine Jahresbilanzsummer von jeweils über 10 Mio. EUR aufweisen.
§ 30 Abs. 2 BSIG enthält eine nicht abschließende Liste von Maßnahmen, die als Mindestvorgaben zu verstehen sind. Welche TOMs letztlich zu implementieren sind, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von einer vorab durchzuführenden Risikoanalyse, bei der die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere von Sicherheitsvorfällen, ihre Auswirkungen sowie einrichtungsbezogene Faktoren zu berücksichtigen sind. Als Mindestmaßnahmen nennt § 30 Abs. 2 BSIG u.a. Konzepte zur Risikoanalyse, Maßnahmen zur Bewältigung von Sicherheitsvorfällen, einen Plan zum Notfall- und Krisenmanagement, Sicherheitsmaßnahmen bei Erwerb, Entwicklung und Wartung von IT-Systemen, oder Konzepte für die Zugriffskontrolle.
In § 30 Abs. 3 und 4 BSIG wird zudem festgelegt, dass erlassene Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission zur Festlegung der technischen und methodischen Anforderungen für bestimmte Sektoren Vorrang gegenüber den Regelungen des BSIG aufweisen. Insofern kann es sein, dass diese europäischen Durchführungsrechtsakte z.B. strengere Regelungen enthalten.
Die Umsetzung dieser TOMs ist als Nachweis nach § 30 Abs. 1 Satz 3 BSIG durch die verpflichteten Einrichtungen zu dokumentieren. Eine Nachweispflicht ergibt sich aus § 39 Abs. 1 BSIG auch für Betreiber kritischer Anlagen. Ähnlich wie die DSGVO in Art. 5 Abs. 2 DSGVO erlegt der Gesetzgeber den Betreibern auch im BSIG eine Rechenschaftspflicht auf. Diese Verpflichtung verfolgt unter anderem den Zweck, die in § 61 f. BSIG vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) angeforderten Nachweise zur Erfüllung der Pflicht in § 30 Abs. 1 Satz 1 BSIG erbringen zu können. Das BSI wird in § 61 BSIG dazu ermächtigt, sich Nachweise über die Erfüllung von Audits und Prüfungen bezüglich der Umsetzung der Pflichten des § 30 Abs. 1 BSIG (Implementierung von TOMs) oder der Durchführung der Mängelbeseitigung von besonders wichtigen Einrichtungen zu verlangen. Allerdings legt § 61 Abs. 4 BSIG fest, dass das BSI nicht nach Belieben jede besonders wichtige Einrichtung dazu verpflichten kann, sondern vorab eine Risikoeinschätzung vornehmen muss, wobei das Ausmaß der Risikoexposition, die Größe der Einrichtung sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere von möglichen Sicherheitsvorfällen und ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden muss. Nach § 61 Abs. 5 BSIG hat das BSI zudem das Recht, unabhängig von dieser Risikoeinschätzung, jederzeit bei besonders wichtigen Einrichtungen die Einhaltung der Anforderungen des BSIG zu prüfen und sich auf Verlangen die in Betracht kommenden Unterlagen vorlegen lassen kann. Auch gegenüber wichtigen Einrichtungen können solche Maßnahmen angeordnet werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese z.B. eine Pflicht nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BSIG nicht umsetzen. Eine zeitliche Grenze für die Dauer der Aufbewahrung von Nachweisen wird im Gesetz nicht erwähnt, sodass sich eine langfristige Verwahrung der Dokumente empfiehlt.
Die Nichteinhaltung dieser Nachweispflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 65 Abs. 2 Nr. 2 BSIG), die nach § 65 Abs. 5 Nr. 1 BSIG bei besonders wichtigen Einrichtungen mit einer Geldbuße von bis zu 10 Mio. EUR und bei wichtigen Einrichtungen mit einer Geldbuße von bis zu 7 Mio. EUR geahndet werden kann.
In Anlehnung an praktische Nachweise zur datenschutzrechtlichen Rechenschaftspflicht in Art. 5 Abs 2 DSGVO lässt sich auch die in § 30 Abs. 1 Satz 3 BSIG normierte Dokumentationspflicht durch folgende Nachweise erfüllen:
- Erstellung einer Liste der implementierten TOMs
- Benennung einer Verantwortlichkeitsstruktur des Unternehmens mit Verweis auf die Geeignetheit und Zuverlässigkeit der entsprechenden Stellen
- Implementierung von Unternehmensrichtlinien oder Organisationsanweisungen
- Schulungskonzepte und Nachweis über durchgeführte Schulungen von Mitarbeitern
- Checkliste, Merkblätter o.ä.
- Nachweis bereits erfolgter Behördenprüfungen
- Nachweis zu durchlaufenen Prüf- oder Zertifizierungsverfahren
- Unterlagen zu durchgeführten Audits (z.B. Auditberichte)
- Erfolgte Meldungen von Sicherheitsvorfällen
- Nachweis über behobene Sicherheitsvorfälle / Schwachstellen
- Nachweis über durchgeführte Testläufe
Empfehlungen für die Praxis:
Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren zum neuen BSIG noch nicht abgeschlossen ist, sollten Unternehmen bereits jetzt Prozesse etablieren, um aktuelle Dokumentationsnachweise zu den TOMs erbringen zu können. Denn die hohen Bußgeldtatbestände zeigen die Wichtigkeit dieser Dokumentationspflichten auf, sodass auch mit der Verhängung empfindlicher Bußgelder zu rechnen ist. Zur Prävention empfiehlt sich deshalb unter anderem eine Bestandsaufnahme der bestehenden TOMs und einen Abgleich mit den Kriterien des § 30 Abs. 1 BSIG durchzuführen. Im Rahmen dieser Evaluation bietet es sich an, die oben genannten Dokumente, wie z.B. eine Liste der bestehenden TOMs oder Unterlagen zu durchgeführten Audits, zu erstellen.
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Betriebsvereinbarungen müssen auf DSGVO-Konformität geprüft werden
Die Auswirkungen der EuGH-Urteils in der Rechtssache C-34/21 vom 30.3.2023 wurden mit Blick auf § 26 BDSG und das eventuell kommende neuen Beschäftigtendatenschutzgesetzes schon mehrfach thematisiert (hierzu eine aktuelle Handreichung der Hessischen Datenschutzbehörde). Jedoch wird bislang nur selten darauf eingegangen, dass das Urteil auch weitreichende Konsequenzen für Betriebsvereinbarungen haben kann.
Weiterer Fachaufsatz zum geplanten Cyber Resilience Act - Verhältnis des Cyber Resilience Act zur DSGVO
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Computer und Recht (CR 05/2023) wurde ein weiterer Aufsatz mit dem Titel „Der Vorschlag für einen Cyber Resilience Act aus Sicht der DSGVO“ von Dr. Carlo Piltz, Alexander Weiß und Johannes Zwerschke veröffentlicht.
Europäisches Gericht entscheidet zur Personenbeziehbarkeit pseudonymisierter Daten
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat am 26. April 2023 zur Personenbeziehbarkeit pseudonymisierter Daten entschieden. Es urteilte, dass es sich bei übermittelten pseudonymisierten Daten nicht um personenbezogene Daten i. S. v. Art. 3 Nr. 1 Verordnung (EU) 2018/1725 handelt, wenn der Schlüssel zur Depseudonymisierung nicht beim Empfänger vorhanden ist.
Generalanwalt am EuGH: Fahrzeugidentifikationsnummer als personenbezogenes Datum? Es kommt darauf an
In seinen Schlussanträgen vom 4. Mai 2023 beschäftigt sich Generalanwalt Sánchez-Bordona u.a. mit der Frage, ob eine Fahrzeugidentifikationsnummern (FIN) ein personenbezogenes Datum ist. Diese Schlussanträge wurden (soweit ersichtlich) bislang noch nicht in der Datenschutz-Szene diskutiert.
Pflicht zum Einsatz von Systemen zur Angriffserkennung für Betreiber kritischer Infrastruktur gilt seit dem 1. Mai 2023
Seit dem 1. Mai 2023 sind Betreiber von kritischer Infrastruktur und Betreiber von Energieversorgungsnetzen und Energieanlagen, die als Kritische Infrastruktur gelten, gesetzlich gemäß § 8a Abs. 1a BSIG und § 11 Abs. 1e EnWG dazu verpflichtet, Systeme zur Angriffserkennung einzusetzen und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) alle zwei Jahre Nachweise darüber zu liefern (vgl. § 8a Abs. 3 BSIG).
Bericht des Europäischen Datenschutzausschusses zur Prüfung von Datentransfers in Drittländer
Am 19. April 2023 hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) den Bericht der Task Force 101 zu den NOYB-Beschwerden veröffentlicht. Thematisch geht es in der Veröffentlichung um die Problematik der Datenübermittlung in Drittländer im Zusammenhang mit dem Einsatz von Website-Tools, wie Google Analytics und Facebook Business Tools.