News

Neuer Referentenentwurf des BMJ: Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs – Einsichtnahme in die Patientenakte

Hinsichtlich des Anspruchs auf Erhalt von Informationen und Dokumenten aus einer Patientenakte ist eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches geplant. Diese Änderungen schlägt des Bundesjustizministerium in einem aktuellen Referentenentwurf als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der C‑307/22 vom 26. Oktober 2023 vor.  

Zum Hintergrund der geplanten Regelungen

Der EuGH hatte auf Vorlage des Bundesgerichtshofs das Verhältnis von § 630g BGB zur DSGVO u.a. in Bezug auf die Kostentragung und den Umfang des Kopie-Anspruchs im Arzt-Patienten-Verhältnis beurteilt. Demnach steht einem Patienten das Recht zu, eine vollständige erste kostenfreie Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in seiner/ihrer Patientenakte befinden, da dies laut dem EuGH zum Verständnis der in dieser Akte enthaltenen personenbezogenen Daten erforderlich ist. Weil bislang in § 630g Abs. 2 BGB eine Kostenpflicht für solche Kopien normiert ist und dies im Widerspruch zu der Kostenfreiheit im Rahmen der DSGVO steht, ist eine Gesetzesänderung geboten.

Der Inhalt der geplanten Regelungen

Der Referentenentwurf für die Neufassung des § 630g BGB umfasst insbesondere folgende Themenpunkte:

  • Mit § 630g BGB-E soll ein zu Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO ergänzendes Recht auf Einsichtnahme betreffend der Patientenakte geschaffen werden.
  • § 630g BGB-E regelt, dass Art. 12 Abs. 3 und 5 DSGVO auch für den Anspruch aus § 630g Abs. 1 BGB gelten. Wichtig: demnach soll zur Bearbeitung des behandlungsvertraglichen Anspruchs grundsätzlich die Monatsfrist gelten, die bei Komplexität um zwei Monate verlängert werden kann, aber gegenüber dem Anspruchssteller zu begründen ist. Auch soll bei elektronischem Antrag nach § 630g die Auskunftserteilung elektronisch erfolgen, soweit kein gegenteiliger Wunsch seitens des Patienten geäußert wird. Zudem könnte sich der Arzt / das Krankenhaus bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen weigern, den Antrag nach dem BGB zu beantworten.
  • § 630g BGB-E enthält auch einen Verweis auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der ebenfalls für den BGB-Anspruch gelten soll. Die Sätze 2 und 3 dieser Vorschrift fordern, dass für die Beauskunftung im entsprechenden Fall ein gängiges elektronisches Format verwendet werden soll und die erste Kopie der Patientenakte unentgeltlich zu erfolgen hat. Für weitere Kopien kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt verlangen.
  • Nach § 630g Abs. 2 BGB-E kann der Auskunftsanspruch aus dem BGB eingeschränkt werden, wenn erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Rechte Dritter können zudem betroffen sein, da gewisse Patientenakten auch Informationen über andere Personen enthalten, die durch die Offenlegung dieser Informationen in ihren Rechten verletzt werden könnten.
  • Neben dem Erhalt einer Abschrift soll es auch weiterhin möglich bleiben, dass vor Ort eine Einsichtnahme in die Patientenakte erfolgt. Für den Fall soll jedoch weiterhin die Kostenregelung aus § 811 Abs. 2 BGB gelten.

 

Einordnung der geplanten neuen Regelungen

Es ist gut, dass der deutsche Gesetzgeber nach dem EuGH-Urteil aktiv wird. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob ein separater zivilrechtlicher Anspruch für das Arzt-Patienten-Verhältnis wirklich benötigt wird. Aus Sicht eines Patienten ist es schließlich weiterhin möglich, den Art. 15 DSGVO anstelle von § 630g BGB als Anspruchsgrundlage zu verwenden. Aus Perspektive eines Arztes / Krankenhauses ist es auch im Anwendungsbereich der DSGVO möglich, die Ausnahmen aus Art. 12 Abs. 5 DSGVO oder aus Art. 15 Abs. 4 DSGVO anzuwenden. Auch hierfür wäre die Regelung im BGB nicht notwendig.

Weil zumindest der Europäische Datenschutzausschuss davon ausgeht, dass eine Auskunft und Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch mitunter durch Einsichtnahme vor Ort bereitgestellt werden können (siehe hier bspw. in Rn. 133), ist zumindest zweifelhaft, ob für die erste Einsichtnahme unter dem § 630g BGB-E überhaupt Kosten verlangt werden könnten. Für die Einsichtnahme könnten nur dann Kosten verlangt werden, wenn die Ansprüche aus Art. 15 Abs. 1 bis 3 DSGVO nicht auch durch Einsichtnahme vor Ort erfüllt werden könnten. Andernfalls muss der Grundsatz der Kostenfreiheit weiterhin gelten.

Aus Sicht von Ärzten / Krankenhäusern ist es sicher positiv, dass der deutsche Gesetzgeber die Chance nutzen möchte hat, eine Ausnahme vom Auskunftsrecht auf Basis von Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO zu regeln, die nicht auf rein administrativen oder wirtschaftlichen Erwägungen basiert. Denn dazu hatte sich der EuGH bereits kritisch geäußert (siehe Rn. 64 bis 68 des Urteils).

Bei Rückfragen zur geplanten Gesetzesänderung oder dem EuGH-Urteil, können Sie sich jederzeit an uns wenden.

Rechtsanwältin, Associate
Sandra Häntschel
Rechtsanwältin, Associate
Sandra Häntschel

Zurück

News

Neue Orientierungshilfe der Datenschutzkonferenz zum Einsatz von Cookies und ähnlichen Technologien

Heute am 21. Dezember 2021 wurde von der Datenschutzkonferenz (DSK) die neue Orientierungshilfe für Anbieter:innen von Telemedien ab dem 1. Dezember 2021 (OH Telemedien 2021) veröffentlicht. Durch die Orientierungshilfe versucht die Datenschutzkonferenz, zahlreiche Fragen zu klären, die sich vor allem im Bezug auf die Anwendung des § 25 TTDSG stellen, der den Umgang mit Cookies und ähnlichen Tracking-Technologien regelt. Auch wenn uns das Papier in den kommenden Wochen und Monaten noch vielseitig beschäftigen wird, möchten wir Ihnen im Folgenden einen kurzen Überblick zu den aus unserer Sicht wichtigsten Aussagen geben:

Österreichisches BVwG: Wechsel der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung ist zulässig

Kann sich ein Verantwortlicher auf eine andere Rechtsgrundlage als Rechtfertigung für die Datenverarbeitung berufen, nachdem die zugrundeliegende Einwilligungserklärung von einer Behörde für ungültig erklärt wurde?

Die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz kommt! – Datenschutzrechtliche ToDos

Heute am Mittwoch, den 24. November 2021, ist es soweit: Die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet), die uns seit Monaten im täglichen Leben begleitet, gilt auch am Arbeitsplatz. Die Umsetzung der neuen Regeln werfen selbstverständlich auch einige datenschutzrechtliche Fragen auf. Anhand der FAQs zum betrieblichen Infektionsschutz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) haben wir den folgenden Beitrag zum neuen Infektionsschutzgesetz (IfSG) und die daraus resultierende 3G-Nachweispflicht am Arbeitsplatz für Sie zusammengefasst.

Webinar von Piltz Legal: Der neue § 25 TTDSG – Dos and Don'ts

Achtung: nur noch Plätze auf der Warteliste verfügbar

Piltz Legal organisiert am 22.11.2021 ein weiteres Webinar zu einem der aktuell wichtigsten datenschutzrechtlichen Themen: dem am 1.12.2021 in Kraft tretenden TTDSG. Wir freuen uns, bei diesem Webinar Frau Dr. Herbort von der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Gast und Diskussionsteilnehmerin begrüßen zu dürfen.

Webinar von Piltz Legal: Der neue § 25 TTDSG – Anwendungsbereich, Ausnahmen von der Einwilligungspflicht und behördliche Zuständigkeiten

Piltz Legal organisiert am 4.11.2021 ein Webinar zu einem der aktuell wichtigsten datenschutzrechtlichen Themen: dem am 1.12.2021 in Kraft tretenden TTDSG. Besonders freuen wir uns, bei diesem Webinar Frau Dr. habil. Silke Jandt von der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen als Gast und Diskussionsteilnehmerin begrüßen zu dürfen.

Anforderungen an Datenübermittlungen durch Unternehmen an Behörden

Schlussantrag des Generalanwalts

Der Generalanwalt beim EuGH äußerte sich in einem kürzlich veröffentlichten Schlussantrag zu den Anforderungen an Datenübermittlungen durch Unternehmen an Behörden
Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH vom 2.9.2021, Az. C-175/20