News

Längere Speicherdauer für Daten bei Wahrnehmung der Aufgabe der internen Meldestelle durch Syndikusrechtsanwälte

Viele deutsche Unternehmen sind entweder schon jetzt oder spätestens ab Mitte Dezember 2023 dazu verpflichtet, eine interne Meldestelle für Hinweisgeber einzurichten. In einigen Fällen werden die Aufgaben der internen Meldestelle von Mitarbeitern aus der Rechtsabteilung wahrgenommen, die als Syndikusrechtsanwälte zugelassen sind. Geht bei einem solchen Unternehmen eine Hinweismeldung ein, so ist diese von den Syndikusrechtsanwälten der internen Meldestelle zu dokumentieren. In dieser Konstellation treffen Aufbewahrungs- und Löschpflichten aus dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) einerseits und Aufbewahrungspflichten der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) andererseits aufeinander. Die Aufbewahrungspflicht für Handakten aus § 50 Abs. 1 BRAO beträgt 6 Jahre und damit also doppelt so lange, wie die Regelaufbewahrungsfrist aus § 11 Abs. 5 Satz 1 HinSchG.

Gerade im Bereich Hinweisgeberschutz kann es im Interesse eines Unternehmens sein, Hinweismeldungen und damit im Zusammenhang stehende Dokumente möglichst lange aufzubewahren. Beispielsweise zur Verteidigung gegen einen Vorwurf eines Mitarbeiters, eine Benachteiligung habe aufgrund einer von ihm erteilten Hinweismeldung stattgefunden. Aber auch fernab dessen wird es in der Natur der im Bereich Hinweisgeberschutz erfolgenden Datenverarbeitungen liegen, dass Unternehmen solche Daten lieber länger aufbewahren als zu früh zu löschen. Die Anwendung der BRAO-Vorschrift könnte Unternehmen in dem Zusammenhang die Möglichkeit bieten, eine Rechtsgrundlage für eine Speicherdauer von mehr als 3 Jahren zu haben.

Zunächst stellt sich allerdings die vorgelagerte Frage, ob § 50 Abs. 1 BRAO überhaupt auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar ist, wenn diese die Aufgabe der internen Meldestelle im Unternehmen wahrnehmen. In diesem Newsbeitrag beantworten wir die eben benannte Vorfrage und gehen anschließend darauf ein, welche Aufbewahrungs- und Löschpflichten bei Wahrnehmung der Aufgabe der internen Meldestelle durch Syndikusrechtsanwälte zu beachten sind.

Anwendbarkeit des § 50 Abs. 1 BRAO auf Syndikusrechtsanwälte

Grundsätzlich enthält die BRAO Vorschriften, welche für Rechtsanwälte und für Syndikusrechtsanwälte gelten. Nach § 46 c Abs. 1 BRAO sind nämlich die Vorschriften für Rechtsanwälte auch auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar, soweit nicht an einer Stelle geregelt wird, dass einzelne Vorschriften aus der BRAO ausnahmsweise nicht für Syndikusrechtsanwälte gelten. Die Ausnahmen, in denen die BRAO doch nicht auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar ist, regelt der § 46 Abs. 3 BRAO. Diese Norm nimmt auch explizit auf § 50 BRAO Bezug. Das ist genau jene Vorschrift, welche die Regelung zur Aufbewahrung von Handakten enthält.

In § 46 Abs. 3 BRAO ist allerdings geregelt, dass nur § 50 Abs. 2 und 3 BRAO nicht auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar sind. Das heißt im Umkehrschluss, dass § 50 Abs. 1 BRAO, der die Aufbewahrungspflicht von Handakten regelt, auf den Syndikusrechtsanwalt anwendbar sein muss. Der Gesetzgeber hat sich also sogar explizit damit auseinandergesetzt, welche Regelungen des § 50 BRAO nicht für Syndikusrechtsanwälte gelten sollen und welche nicht. Dabei ist der Gesetzgeber offensichtlich zum Entschluss gekommen, dass die Bestimmungen über das Führen von Handakten und deren Aufbewahrung auch auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar sein sollen.

Im Ergebnis bedeutet dies, also dass § 50 Abs. 1 BRAO definitiv auch genauso für Syndikusrechtsanwälte gilt, wie es für „gewöhnliche“ Rechtsanwälte der Fall ist. Wenn ein Syndikusrechtsanwalt die Aufgabe der internen Meldestelle wahrnimmt, dann gilt für die dabei vorgenommenen Tätigkeiten also auch der § 50 Abs. 1 BRAO. Unter dieser Vorschrift sind Syndikusrechtsanwälte als Bestandteil der internen Meldestelle dazu verpflichtet, Handakten zu führen und diese für 6 Jahre ab Ende des Kalenderjahres aufzubewahren, in dem ein Auftrag beendet wurde.

Speicherdauer in HinSchG unter Beachtung der BRAO

Das HinSchG enthält die Regelvorgabe, dass die Dokumentation zu einer Hinweismeldung drei Jahre aufzubewahren und danach zu löschen ist. In vorherigen Entwürfen im Gesetzgebungsverfahren war lange 2 Jahre als starre Frist vorgesehen und es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass länger andauernde Aufbewahrungsfristen aus anderen Gesetzen vorrangig gelten sollten. Die Aufbewahrungsdauer wurde in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens verlängert und sieht in der aktuellen Fassung auch vor, dass andere Aufbewahrungspflichten aus anderen Gesetzen mit bedacht werden können. Fernab der Vorgaben aus § 11 Abs. 5 HinSchG ist für den Syndikusrechtsanwalt entscheidend, die einschlägigen Aufbewahrungs- und Löschpflichten aus den verschiedenen Regelwerken zu kennen, ihnen nachzukommen und die Dokumentation ordnungsgemäß zu führen. Dazu zählt auch der § 50 Abs. 1 BRAO.

Abweichend von der Regelfrist von 3 Jahren kann die Dokumentation nach § 11 Abs. 5 Satz 2 HinSchG länger aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach dem HinSchG oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist. Man kann also auch zum Ergebnis kommen, dass für Pflichten aus dem HinSchG im Einzelfall eine Aufbewahrung für länger als 3 Jahre erlaubt sein kann. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, sich auf längere Aufbewahrungsfristen in anderen Gesetzten zu berufen. In der Praxis ist der Begründungsaufwand für eine legitime Aufbewahrung über die 3 Jahre hinaus auf Basis der BRAO-Vorgaben deutlich geringer, als wenn ein Unternehmen argumentieren müsste, warum eine vom Gesetzgeber im Hinweisgeberschutzgesetz aufgestellte Frist keine Beachtung finden soll und stattdessen eine längere Aufbewahrungszeit schon allein unter dem HinSchG angemessen ist. Diese Abwägung dürfte leichter zu Gunsten des Unternehmens ausfallen, wenn die verlängerte Speicherdauer durch die Verpflichtung nach einem anderen Gesetz, hier der BRAO, begründet wird. Es wird demgegenüber schwieriger sein zum Ergebnis zu gelangen, dass für die Erfüllung einer Anforderung aus dem HinSchG selbst eine Aufbewahrung über 3 Jahre hinaus möglich ist. § 11 Abs. 5 Satz 2 HinSchG kann aber fernab des Berufsrechts auch beispielsweise einen Gleichlauf mit den von dem Unternehmen im Rahmen der DSGVO festgelegten Löschfristen ermöglichen

Wie oben bereits dargelegt, sieht § 50 Abs. 1 BRAO auch für Syndikusrechtsanwälte eine Verpflichtung vor, Handakten zu führen. Der Rechtsanwalt hat die Handakten für die Dauer von sechs Jahren aufzubewahren. Wenn also die Normen über die Aufbewahrung von Handakten aus der BRAO auch auf Syndikusrechtsanwälte Anwendung finden, ermöglicht dies Unternehmen eine wesentlich längere Aufbewahrung der Dokumentation zu einer Hinweismeldung. Sofern Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO in Verbindung mit § 50 Abs. 1 BRAO die alleinige Rechtsgrundlage für die Speicherung von Hinweismeldungen und dazugehörigen Dokumentationen ist, kann ein Unternehmen zwar nicht ohne Weiteres die Daten auch für andere Zwecke verwenden. Gäbe es jedoch eine Situation, in der besondere überwiegende berechtigte Interessen an der Weiterverwertung an einer begrenzten Menge an Daten bestünden und diese Daten nur noch in der Handakte vorhanden wären, dann spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass die Daten auf Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO im Einzelfall weiterverwendet werden können.

Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Folgen für die Praxis

Im Ergebnis ermöglicht die Aufbewahrungspflicht für Handakten, dass die Dokumentation über eine Hinweismeldung abweichend von der 3-Jahresfrist des HinSchG 6 Jahre aufbewahrt werden kann, wenn ein Syndikusrechtsanwalt die Aufgabe der internen Meldestelle wahrnimmt. Denn die Vorschrift über die Aufbewahrung von Handakten in der BRAO ist auch auf Syndikusrechtsanwälte anwendbar. Einerseits hat der Syndikusrechtsanwalt die Aufbewahrungspflichten aus dem HinSchG und der BRAO zu beachten, um Verpflichtungen aus diesen Gesetzen gerecht zu werden. Andererseits bietet die im Gegensatz zum HinSchG längere Aufbewahrungsfrist für Unternehmen, bei denen ein Syndikusrechtsanwalt die Aufgaben der internen Meldestelle wahrnimmt, die Möglichkeit, die Dokumentation zu einer Hinweismeldung für einen längeren Zeitraum aufzubewahren. Diese Möglichkeit können sich Unternehmen zunutze machen, die ein Interesse an einer langen Aufbewahrung von Informationen zu einer Hinweismeldung haben.

 

Wir danken unserem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Marcel Martin für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Newsbeitrags.

Wirtschaftsjurist, Counsel
Philipp Quiel, LL.M.
Wirtschaftsjurist, Counsel
Philipp Quiel, LL.M.

Zurück

News

FAQ: Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Verhängung von Bußgeldern nach der DSGVO (C-807/21)

FAQ: Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Verhängung von Bußgeldern nach der DSGVO (C-807/21)

  1. Worum ging es (Kurzfassung)?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 5.12.2023 (C-807/21) die Vorlagefragen des Kammergerichts Berlin (KG) in Bezug auf das im Oktober 2019 durch die Berliner Aufsichtsbehörde verhängte Bußgeld iHv. 14,5 Millionen Euro gegen die Deutsche Wohnen SE beantwortet

Europäischer Datenschutzausschuss: neue (strenge) Leitlinien zum technischen Anwendungsbereich der "Cookie-Vorgaben" (§ 25 TTDSG)

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat am 15.11.2023 eine Leitlinie zum technischen Anwendungsbereich von Art. 5 (3) der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation veröffentlicht. Die Leitlinie soll klarstellen, welche Trackingtechnologien von der ePrivacy-Richtlinie (ePrivacyRL) konkret erfasst und damit grundsätzlich einwilligungsbedürftig sind. In Deutschland wurden die Anforderungen der ePrivacyRL in § 25 TTDSG umgesetzt.

Entscheidung des EuGH zur FIN und generellen Aspekten des Personenbezugs

Die Folgen der Entscheidung des EuGH in der Rs. C‑319/22 vom 9. November 2023 werden sicherlich noch lange in der Datenschutz-Szene diskutiert. Es ist in jedem Fall jetzt schon klar, dass das Urteil in der Automobilbranche und daran angrenzende Sektoren aber auch allgemein im Bereich Datenschutz große Wellen schlagen wird. Doch scheint unklar zu sein, ob das auch gerechtfertigt ist oder im Wesentlichen dieselben Aspekte wie vor der Entscheidung bei der Klärung der Frage nach dem Vorliegen eines Personenbezugs zu beachten sind. In dem vom EuGH behandelten Fall wird jedenfalls erst durch das Landgericht Köln entschieden werden, ob für die Fahrzeughersteller und unabhängigen Wirtschaftsakteure die FIN ein personenbezogenes Datum ist. Im EuGH-Urteil selbst findet man die Antwort jedenfalls noch nicht direkt und eindeutig

EU Data Act verabschiedet – worauf müssen sich die Unternehmen einstellen?

Am 9. November 2023 hat das Europäische Parlament den Data Act final verabschiedet. Dieser soll den Zugang und die Nutzung von Daten erleichtern, die durch Nutzer bei Inanspruchnahme von Produkten und Diensten generiert werden und umfasst sämtliche Nutzerdaten - unabhängig vom etwaigen Personenbezug. Die Auswirkungen sind aus diesem Grund weitreichend und den Unternehmen werden viele Pflichten auferlegt, insbesondere was die Einrichtung von Zugangsmöglichkeiten zu Daten für die Kunden sowie deren Möglichkeit zur Weitergabe an Dritte angeht.

LDA Brandenburg: BSI-Vorgaben zur IT-Sicherheit als „Stand der Technik“ nach Art. 32 DSGVO

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg (LDA) hat am 10. November 2021 gegen einen Website-Betreiber eine Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgesprochen. Grund für die Verwarnung war insbesondere die Bereitstellung einer Upload-Funktion für Bilder, die nicht ausreichend gesichert war und über die es Angreifern möglich gewesen war, eine Kundendatenbank auszulesen.

Die Behörde sah darin eine Verletzung der Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 lit. b) DSGVO. Interessant an der Behördenentscheidung ist auch, dass diese einen Zusammenhang zwischen Art. 25 und Art. 32 DSGVO (Stand der Technik) und dem BSI-Grundschutz herstellt (hierzu sogleich mehr).

EuGH hat wieder zum Auskunftsanspruch entschieden – Zusammenfassung des Urteils in der Rs. C-307/22 vom 26. Oktober 2023

Während das Urteil in der Rs. C‑307/22 sich zwar mit dem speziellen Arzt-Patienten-Verhältnis beschäftigt, sind darin dennoch auch zahlreiche Aussagen enthalten, die allgemein für Erfüllung des Auskunftsanspruchs durch Unternehmen relevant sind. Das Urteil wird bereits munter in der Datenschutz-Szene diskutiert. Das ist auch deshalb verständlich, weil der EuGH einige hoch umstrittene Aspekte zum besonders praxisrelevanten Betroffenenrecht geklärt hat. In diesem Newsbeitrag finden Sie eine Zusammenfassung der aus unserer Sicht relevantesten Aussagen in der Entscheidung des EuGH sowie eine kurze Einschätzung zu den Folgen für die Praxis.