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EuGH hat wieder zum Auskunftsanspruch entschieden – Zusammenfassung des Urteils in der Rs. C-307/22 vom 26. Oktober 2023
Während das Urteil in der Rs. C‑307/22 sich zwar mit dem speziellen Arzt-Patienten-Verhältnis beschäftigt, sind darin dennoch auch zahlreiche Aussagen enthalten, die allgemein für Erfüllung des Auskunftsanspruchs durch Unternehmen relevant sind. Das Urteil wird bereits munter in der Datenschutz-Szene diskutiert. Das ist auch deshalb verständlich, weil der EuGH einige hoch umstrittene Aspekte zum besonders praxisrelevanten Betroffenenrecht geklärt hat. In diesem Newsbeitrag finden Sie eine Zusammenfassung der aus unserer Sicht relevantesten Aussagen in der Entscheidung des EuGH sowie eine kurze Einschätzung zu den Folgen für die Praxis.
Aussagen in der Entscheidung des EuGH
Im Rahmen der ersten Vorlagefrage hat sich der EuGH damit auseinandergesetzt, ob Art. 15 DSGVO Betroffenen auch dann einen Auskunftsanspruch verleiht, wenn mit dem Auskunftsantrag keine der in Erwägungsgrund 63 benannten klassischen „Datenschutz-Zwecke“ verfolgt werden. Bei der Beantwortung der zweiten Frage geht es darum, ob der deutsche Gesetzgeber die Kostenregelung für die Patientenakte aus § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB auf Basis der Erlaubnis der Beschränkung des Auskunftsanspruchs aus Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO treffen durfte und in der BGB-Vorschrift eine Ausnahme von der Grundregel „kostenlose erste Kopie“ regeln durfte. Im Rahmen der Klärung der letzten Vorlagefrage geht der EuGH darauf ein, wie weit das Recht auf Kopie reicht und wann ganze Dokumente oder Auszüge aus Dokumenten vom Kopieanspruch erfasst sind. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung unter Verweis auf das allgemeine Thema und die jeweils relevanten Randnummern in der EuGH-Entscheidung.
Thema: Relevante Vorschrift aus der DSGVO bei Rechtsmissbrauch
Randnummer im Urteil: 31 und 58
Zusammenfassung:
- Vor dem Urteil war unklar, ob die Regelung aus Art. 12 Abs. 5 DSGVO (offensichtlich unbegründete oder exzessive Anträge) für rechtsmissbräuchliche Anfragen gilt oder nicht, weil dort „Rechtsmissbrauch“ o.ä. nicht explizit erwähnt wird
- Der EuGH hat klargestellt, dass Unternehmen generell unter Berufung auf Art. 12 Abs. 5 DSGVO rechtmissbräuchliche Anfragen wegen offensichtlicher Unbegründetheit des Antrags oder wegen eines exzessiven Antrags ablehnen können
- Zu den Voraussetzungen dafür, wann ein Auskunftsantrag rechtsmissbräuchlich ist, hat der EuGH keine Aussagen getroffen – der BGH ist in dem Fall davon ausgegangen, dass keine Rechtsmissbräuchlichkeit vorlag
- Es ist davon auszugehen, dass der EuGH bei Anzeichen für einen rechtsmissbräuchlichen Antrag eine diesbezügliche Aussage getroffen hätte, um sein Auslegungsmonopol für die DSGVO zu wahren – ein Antrag auf Auskunft zur Nutzung der Informationen für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen scheint deswegen nicht missbräuchlich zu sein
Thema: Die erste Kopie muss immer kostenlos sein
Randnummer im Urteil: 34
Zusammenfassung:
- Der EuGH hat klargestellt, dass die erste Kopie der personenbezogenen Daten immer kostenlos sein muss
- Ein Verantwortlicher kann nur dann (auf Grundlage von Art. 12 Abs. 5 lit. a DSGVO) ein Entgelt für eine Kopie verlangen, wenn zunächst eine erste Kopie kostenlos erteilt wurde
Thema: Verfolgung von Datenschutz-fremden Zwecken mit dem Erhalt der Kopie / Begründung des Auskunftsantrags
Randnummer im Urteil: 38 bis 43 und 51
Zusammenfassung:
- In Erwägungsgrund 63 werden Zwecke des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs benannt
- Mehrere Gerichte aus Deutschland haben in letzter Zeit vermehrt entschieden, dass bei Verfolgung von Datenschutz-fremden Zwecken (bspw. zur Geltendmachung von Haftungsansprüchen), die Auskunft nicht erteilt werden muss
- Der EuGH hat klargestellt, dass ein Betroffener mit seiner Auskunftsanfrage nicht ein in Erwägungsgrund 63 benanntes Ziel verfolgen muss (in dem Fall wollte der Betroffene mit der Auskunft Haftungsansprüche ggü. dem Arzt geltend machen)
- Es ist davon auszugehen, dass deutsche Gerichte in Zukunft nicht mehr so häufig das Bestehen eines Auskunftsanspruchs wegen der Verfolgung Datenschutz-fremder Zwecke ablehnen
- Betroffene müssen ihren Antrag auf Auskunft nicht begründen und Unternehmen können nicht auf Basis von Art. 15 DSGVO Informationen zu den Motiven des Betroffenen verlangen
- a. wegen der herausgehobenen Relevanz des Auskunftsanspruchs für das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, kann ein Verantwortlicher nur dann einen Auskunftsantrag ablehnen oder ein Entgelt verlangen, wenn eine ausdrücklich in der DSGVO geregelte Ausnahme (allein in der DSGVO geregelt oder auf Basis von Art. 23 DSGVO in Kombination mit nationalem Recht) anwendbar ist
Thema: Geltung von Ausnahmen im nationalen Recht, die vor der DSGVO gesetzlich geregelt wurden
Randnummer im Urteil: 54 bis 56
Zusammenfassung:
- Es war umstritten, ob auch schon vor der DSGVO im nationalen Recht geregelte Ausnahmen weiterhin für die DSGVO gelten können
- Der EuGH hat geklärt, dass sich Unternehmen auch grundsätzlich auf Ausnahmen vom Auskunftsanspruch aus dem nationalen Recht berufen können, wenn diese vor der DSGVO erlassen wurden
- Verschiedene spezialgesetzliche Ausnahmen aus verschiedenen deutschen Gesetzten, die vor der DSGVO erlassen wurden, können daher grundsätzlich weiterhin anwendbar sein
Thema: Kostenregelung aus § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB
Randnummer im Urteil: 62 bis 68
Zusammenfassung:
- Grundsätzlich ist es möglich, dass das Recht auf Erhalt einer kostenlosen Auskunft und Kopie im nationalen Recht eingeschränkt wird – dafür muss eine der Voraussetzungen aus Art. 23 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein
- Für den Fall wurde Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO geprüft („den Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen“)
- Laut Aussagen des BGH zielt die Kostenregelung im BGB vor allem auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen des Arztes ab
- Es ist laut dem EuGH nicht zum Schutz wirtschaftlicher Interessen des Verantwortlichen möglich, auf Basis von Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO eine abweichende Kostenregelung vorzusehen
- Der europäische Gesetzgeber hat in Art. 15 Abs. 4 DSGVO und Art. 12 Abs. 5 DSGVO bereits wirtschaftliche Interessen des Verantwortlichen berücksichtigt – deswegen kann es keine zusätzliche Kostenregelung in anderen Fällen als des Art. 12 Abs. 5 lit. a DSGVO zum Schutz wirtschaftlicher Interessen geben
Thema: Reichweite des Kopieanspruchs
Randnummer im Urteil: 71 bis 79
Zusammenfassung:
- Der EuGH wiederholt seine Feststellungen zur Reichweite der Kopie aus der Rs. Österreichische Datenschutzbehörde und CRIF und verweist darauf, dass es ein Recht auf Erhalt der originalgetreuen Reproduktion der Daten ist, und betont, dass es primär um Kopien von Daten und nicht von Dokumenten geht
- Insgesamt gibt es gegenüber den Aussagen in der Rs. Österreichische Datenschutzbehörde und CRIF so gut wie keine neuen Aussagen
- Eine Kopie von Dokumenten oder Auszügen von Dokumenten ist dann für Verantwortliche verpflichtend, wenn dies für die Ausübung der weiteren Betroffenenrechte und Möglichkeit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung für den Betroffenen erforderlich ist
- Eine Kopie ganzer Dokumente oder von Auszügen aus Dokumenten ist dann verpflichtend, wenn dies für die Umsetzung der Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 DSGVO notwendig ist
- Wenn Daten aus einer Patientenakte nicht kopiert, sondern nur übernommen und zusammengestellt werden würden, dann bestünde die Gefahr, dass Daten ausgelassen oder unrichtig wiedergegeben werden würden oder die Ausübung der Rechte für den Betroffenen erschwert werden würden – daraus lässt sich ableiten, dass der EuGH vermutlich eine Übernahme der Daten anstelle einer Kopie der Daten aus den Dokumenten nicht ausreichen lässt
- Im Ergebnis bedeutet dies für das Patientenverhältnis, dass ein Recht auf Erhalt der Daten (nicht zwangsläufig der Dokumente) besteht, die in einer Patientenakte enthalten sind – welche Dokumente oder Auszüge aus Dokumenten kopiert werden müssen, wird erst der BGH entscheiden
- Ob eine Kopie aller Dokumente in der Akte notwendig ist, muss im Einzelfall daran bestimmt werden, ob dies erforderlich ist, damit der Betroffene seine Rechte ausüben kann oder der Verantwortliche seine Pflichten aus Art. 12 Abs. 1 DSGVO vollständig erfüllen kann
Folgen für die Praxis
Es ist davon auszugehen, dass deutsche Gericht in Zukunft nicht mehr so häufig einen Auskunftsanspruch ablehnen, wenn der Betroffene Datenschutz-fremde Zwecke verfolgt. Der BGH wird sich mit der Kostenregelung für die Patientenakte auseinandersetzen. Es steht jedenfalls fest, dass keine Kosten für eine erste Kopie verlangt werden können. Fernab dessen kann ein Verantwortlicher sich aber auch auf Ausnahmen von Betroffenenrechten berufen, die der nationale Gesetzgeber vor Geltung der DSGVO erlassen hat. Tendenziell gehen wir davon aus, dass das Recht auf Kopie nach der Entscheidung des EuGH eher weiter verstanden wird als vorher. Auf diese Entscheidung des EuGH werden noch weitere Urteile zu selben und anderen Aspekten folgen. Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden.
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Aktuelles zu Datentransfers in die USA – Was ändert die Executive Order?
US-Präsident Joe Biden hat am 7. Oktober 2022 eine Executive Order „zur Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen für nachrichtendienstliche Tätigkeiten der Vereinigten Staaten“ (EO) unterzeichnet. Welchen Einfluss diese auf Datentransfers in die USA hat und ob die EO die durch den EuGH festgestellten Defizite heilt, ist bislang noch fraglich. In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen kurzen Überblick, über die EO und den aktuellen Stand der Diskussion.
Piltz Legal Update am 25.11.2022 - "AVV-Prüfung und -Verhandlung in der Praxis" - online
Am 25.11.2022 findet unsere zweite Veranstaltung der "Piltz Legal Update" Seminarreihe online statt.
Dieses Mal sprechen Dr. Carlo Piltz und Philipp Quiel über das Thema: "AVV-Prüfung und -Verhandlung in der Praxis". Sie geben Einblicke, klären über typische Probleme auf und geben ausgewählte Lösungsvorschläge.
Der FOCUS zeichnet Piltz Legal als eine der TOP - Wirtschaftschaftskanzleien aus
Im aktuellen Heft des FOCUS wurde Piltz Legal als eine der TOP-Wirtschaftkanzleien 2022 im Bereich Datenschutz ausgezeichnet.
Wirtschaftswoche vergibt Auszeichnung an Piltz Legal in der Kategorie "Top Kanzlei Datenschutzrecht"
Wir freuen uns sehr, dass Dr. Carlo Piltz und sein Team von der Wirtschaftswoche in der Kategorie "Top Kanzlei für Datenschutzrecht" ausgezeichnet wurden.
Wir bedanken uns für das entgegengebrachte Vertrauen und freuen uns sehr über diese Anerkennung. Dieses Feedback ist für uns weiterer Ansporn, mit fachspezifischer Expertise unsere Mandanten zu unterstützen.
Digital Operation Resilience Act – Überblick zu den neuen Regelungen der digitalen Betriebsstabilität von EU-Finanzunternehmen
Am 24. September 2020 wurde der Entwurf einer EU-Verordnung über die Betriebsstabilität digitaler Systeme des Finanzsektors (Digital Operation Resilience Act, „DORA“) veröffentlicht. Der Vorschlag ist Teil des Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors und in den kommenden Jahren sind noch weitere (vor allem die Finanzdienstleister betreffende) neue Verordnungen und Richtlinien zu erwarten.
Zwingende Umstellung auf die neuen EU-Standardvertragsklauseln – „SCC-Umstellung – Piltz Legal Support Paket“
Ende Dezember 2022 ist es so weit. Noch bestehende „alte“ EU-Standardvertragsklauseln („SCC“) müssen durch neue Verträge ersetzt werden. Für Unternehmen beinhaltet diese verpflichtende Umstellung auf die neuen SCC auch neue Pflichten. So wird ein Transfer Impact Assessment gemäß Klausel 14 der SCC („TIA“) verpflichtend und es müssen in manchen Fällen technische und organisatorische Maßnahmen zur Sicherung des angemessenen Schutzniveaus getroffen werden. Wenn EU-Unternehmen nicht selbst die SCC abschließen, dann müssen sie sich vergewissern, dass ihr in der EU ansässige Dienstleister mit in Drittländern ansässigen Subunternehmern die SCC in Modul 3 abgeschlossen haben. Egal ob man selbst die SCC abschließt oder sich vergewissert, dass der Dienstleister SCC im Modul 3 abgeschlossen hat, die Umstellung auf die neuen SCC erfordert einen Austausch mit den Dienstleistern. Bei Bedarf können wir Sie mit dem Piltz Legal Support Paket dabei unterstützen.