News

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Teil 2) – Für welche Apps und Websites gilt das BFSG?

In Teil 1 unserer Beitragsreihe zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) haben wir uns bereits mit den allgemeinen Anforderungen des BFSG befasst. In Teil 2 geht es darum, für welche Apps und Websites das BFSG gilt.

Onlineshops und Kochkurse

Das BFSG gilt für „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“. Gemeint sind damit Websites oder Apps, deren Inhalte den Abschluss eines Verbrauchervertrages ermöglichen sollen. Das BFSG definiert den Begriff „Verbrauchervertrag“ nicht. Dieser stammt ursprünglich aus der Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83), die im BGB umgesetzt wurde und die ausschließlich entgeltpflichtigen Leistungen erfasst. Ausdrücklich beziehen sich weder das BFSG, noch der European Accessibility Act (EEA - RL 2019/882) oder dessen Erwägungsgründe auf den Verbraucherbegriff der Verbraucherrechterichtlinie. Einen möglichen Anhaltspunkt für die Auslegung des Begriffs findet sich allerdings in Erwägungsgrund 46 des EEA. In diesem heißt es ausdrücklich, dass der elektronische Geschäftsverkehr barrierefrei sein muss, damit der „Online-Verkauf von Produkten und Dienstleistungen […] für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich ist.“

Ein einfaches Beispiel für eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr ist ein Online-Shop über den Verbraucher Kaufverträge mit einem Unternehmen abschließen können. Auch für Websites und Apps über die sich Dienstleistungen buchen lassen, gelten die Vorgaben des BFSG. Das kann z.B. die Anmeldung zu einem Kochkurs oder der Abschluss einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio sein.

Das BFSG gilt grundsätzlich nur für die Gestaltung der Website oder App und nicht für die im Rahmen des Verbrauchvertrages geschuldete Leistung. Das bedeutet, die barrierefrei gebuchte Taxifahrt, muss nicht barrierefrei durchgeführt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn das BFSG ausdrücklich vorsieht, dass ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung barrierefrei sein muss (eine vollständige Liste der relevanten Produkte und Dienstleistungen findet sich in Teil 1).

Kostenlose Dienstleistungen / Nutzeraccounts

Viele Angebote enthalten Inhalte, die von den Nutzern kostenfrei in Anspruch genommen werden. Diese Seiten fallen in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des BFSG, wenn es sich um reine Informations- oder Präsentationsseiten handelt, also Produkte und Dienstleistungen nicht direkt über die jeweilige Website oder App in Anspruch genommen werden können.

Sobald eine Webseite allerdings aktive Elemente enthält, die - in welcher Form auch immer - einen Schritt auf dem Weg zum Abschluss eines Verbrauchervertrages darstellen, kann der Anwendungsbereich des BFSG gegeben sein. Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob auch der mögliche Abschluss kostenfreier Verbrauchverträge die Anwendbarkeit des BFSG begründen können. Das kann z.B. im Zusammenhang mit der Erstellung eines Nutzeraccounts relevant werden.

Bei der Erstellung eines Nutzeraccounts schließen der Betreiber der Website und der Nutzer in der Regel einen Dienstleistungsvertrag. Der Betreiber der Website verpflichtet sich, den Account und die darin enthaltenen Funktionen bereitzustellen, während sich die Nutzenden zur Einhaltung der Nutzungsbedingungen verpflichten. Soweit der Websitebetreiber ein Unternehmen ist und der Nutzer ein Verbraucher, ließe sich annehmen, dass es sich um einen Verbrauchervertrag handelt.

Dagegen spricht aber der eingangs erwähnte Erwägungsgrund 46, nach dem das BFSG im Zusammenhang mit dem elektronischen Geschäftsverkehr den „Online-Verkauf von Produkten und Dienstleistungen“ schützen soll. Eine Anwendbarkeit des BFSG in Bezug auf kostenlose Verträge, wird daher abzulehnen sein.

Plattformanbieter (Marktplätze, Vergleichsportale, Vermittlungsdienste)

Websites und Apps von Plattformanbietern müssen die Vorgaben des BFSG aber unter Umständen trotzdem beachten, selbst wenn diese nur kostenlose Nutzeraccounts anbieten. Das BFSG ist bereits dann anwendbar, wenn die App oder Website einer Plattform Dritten den Vertragsabschluss mit Verbrauchern ermöglicht.

So definiert das BFSG eine „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“ in § 2, Nr. 26 BFSG wie folgt:

„Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.“

Daraus folgt, dass:

  • das BFSG gilt, soweit eine eigenständige Dienstleistung über eine Website oder App erbracht wird und
  • diese Dienstleistung auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages abzielt (siehe dazu auch die entsprechende Definition im englischen Wortlaut des EEA „with a view to concluding consumer contract“).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es also nicht darauf an, wer den Vertrag mit dem Verbraucher abschließt. Das BFSG ist entsprechend auch dann anwendbar, wenn Dritte über eine App oder eine Website Dritten Leistungen an Verbraucher anbieten können. Das ist z.B. bei eBay der Fall, da die Dienstleistung von eBay in der Bereitstellung einer Plattform zur Abgabe und Annahme von Angeboten besteht (siehe § 1 eBay-AGB – Stand 26.08.2024). Das Gleiche gilt für Uber, da Uber über App und Website u.a. die Inanspruchnahme von Drittleistungen ermöglichen will (Ziffer 2.1.1. der Uber-AGB – Stand 26.08.2024).

Auch aus praktischer Sicht scheint es schwer vorstellbar, dass große Plattformen vom Anwendungsbereich des BFSG ausgenommen sein sollen. Die eigentlichen Anbieter der Produkte und Dienstleistungen üben (wenn überhaupt) nur geringen Einfluss auf die Gestaltung der jeweiligen Website oder App aus. Eine wirksame Umsetzung der Anforderungen des BFSG wäre für die Anbieter ohne Unterstützung der Plattformbetreiber nicht möglich. Zugleich ist ein beträchtlicher Teil der im Internet verfügbaren Angebote nur noch über Plattformen verfügbar. Wenn die Plattformanbieter die Anforderungen des BFSG nicht einhalten müssten, wären Personen mit funktioneller Beeinträchtigung weiterhin von einem Großteil der digitalen Angebote ausgeschlossen.

Websites und Apps von Plattformanbietern dürften nur dann nicht in den Anwendungsbereich des BFSG fallen, wenn die vom Plattformanbieter erbrachte Leistung nicht auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages abzielt. Denkbar ist das z.B. bei Vergleichsplattformen, wenn der Abschluss des Verbrauchervertrages außerhalb der Plattform erfolgt und die Nutzenden lediglich über mehrere Angebote informiert werden sollen (siehe z.B. Google Travel).

Websites mit mehreren Funktionen

Grundsätzlich gilt das BFSG nur für den Teil der Website, auf dem die Dienstleistung angeboten wird. Enthält z.B. die Website eines Fußballvereins auch einen Shop, müssen nur der Shop und die Navigation vom Entry Point zum Shop barrierefrei sein. News zum Verein, aktuelle Spielergebnisse, etc. müssen aufgrund des BFSG nicht barrierefrei präsentiert werden.

Ausblick

Das BFSG gilt für weit mehr als nur Onlineshops. Vor allem Plattformanbieter sollten sich daher noch vor dem 28. Juni 2025 mit den Anforderungen des BFSG auseinandersetzen. Welche konkreten Anforderungen auf Websitebetreiber zukommen und wie sich diese möglichst effektiv umsetzen lassen, erklären in Teil 3 unserer Beitragsreihe.

 

Piltz Legal Update BFSG

Ab sofort können Sie sich außerdem hier für unser Piltz Legal Update zum BFSG am 8. Oktober 2024 um 11:00 Uhr anmelden. Im Termin wollen wir Ihnen die Anforderungen des BFSG noch einmal vorstellen und Hinweise zur praktischen Umsetzung geben. Zudem haben wir Zeit, um auf Ihre Rückfragen zum BFSG einzugehen.

Rechtsanwalt, Senior Associate
Philip Schweers
Rechtsanwalt, Senior Associate
Philip Schweers

Zurück

News

Datenschutzbehörde Baden-Württemberg veröffentlicht umfassende FAQ zum Einsatz von Cookies und ähnlichen Technologien

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BaWÜ) hat am 4. März 2022 eine FAQ zu Cookies und Tracking durch Betreiber von Websites und Hersteller von Smartphone-Apps veröffentlicht.

Neue datenschutzrechtliche Vorgaben für Uber, Lieferando & Co?

Anmerkungen zum Entwurf der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vom 9. Dezember 2021

The Legal 500 Deutschland: Dr. Carlo Piltz als führender Name im Praxisbereich Datenschutz

Wir freuen uns sehr, dass Dr. Carlo Piltz in der neuesten Ausgabe des Handbuchs Legal 500 Deutschland unter den führenden Namen im Bereich Datenschutz vertreten ist.

Belgische Aufsichtsbehörde verhängt Bußgeld gegen IAB Europe wegen Transparency and Consent Framework (TCF)

Die belgische Datenschutzaufsichtsbehörde (APD-GBA) hat heute am 2.2.2022 ein Bußgeld in Höhe von 250.000 Euro gegen IAB Europe (IAB) verhängt. Zudem ordnete die Behörde Maßnahmen an, die zu einer umfassenden Anpassung des Transparency and Consent Framework (TCF) führen sollen.

Hervorzuheben ist dabei, dass die APD-GBA davon ausgeht, dass IAB zusammen mit den Publishern u.a. im Hinblick auf die Einholung der Einwilligung als Joint Controller agiert. Grundsätzlich könnten daher die angenommenen Verstöße auch App- und Webseitenbetreibern zu Last gelegt werden, die aktuell das TCF nutzen.

 

EDSA veröffentlicht Leitlinien zum Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA), das Gremium der europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden, hat in seiner Sitzung vom 18. Januar 2022 einen ersten Leitlinienentwurf zu einem der bedeutendsten Betroffenenrechte nach der DSGVO herausgegeben: dem Auskunftsrecht nach Art. 15.

Dieses Recht sorgt in der Praxis oft für Anwendungsunsicherheiten und lässt viel Raum für Interpretationen. Aus diesem Grund erschien es notwendig, dieses 60-seitige Dokument zu veröffentlichen, um für mehr Klarheit und Kohärenz zu sorgen. In dem Dokument widmet sich der EDSA einer Reihe von Themen, von denen einige in der Praxis äußerst umstritten sind.

Zusätzliche Schutzmaßnahmen für EU-Standardvertragsklauseln in der Praxis - Österreichische Datenschutzbehörde gibt eine erste Orientierung

Der Einsatz von Google Analytics steht nicht im Einklang mit der DSGVO. Zu diesem Schluss kam die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) aufgrund einer Musterbeschwerde, die der Datenschutzverein "Noyb" (none of your business bzw. Europäisches Zentrum für digitale Rechte) eingereicht hatte. In ihrem Bescheid setzt sich die DSB (leider nicht vertieft) mit den zusätzlichen Schutzmaßnahmen von Google auseinander, die das Unternehmen für Datentransfers in die USA vorsieht. In diesem Beitrag finden Sie eine kurze Übersicht der technischen und organisatorischen Maßnahmen, die die österreichische DSB in ihrem Teilbescheid berücksichtigt, jedoch als ungenügend eingestuft hat.